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Sind vertraulich gekennzeichnete E-Mails vertraulich zu behandeln?

von Carola Sieling und Bianca Schillmöller

Mit dieser Frage hatte sich das Amtsgericht Medebach im schönen Sauerland auseinandergesetzt (Urteil vom 22.02.2012 (Az. 3 C 216/11) und entschieden, dass E-Mails, auch wenn sie mit einem Vertraulichkeitsvermerk gekennzeichnet sind, im Rahmen der WEG-Verwaltung von dem WEG-Verwalter weitergeleitet werden dürfen. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht betroffen.

Was war geschehen?

Die Klägerin, die Mitglied in einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist, sandte an die Geschäftsführerin der WEG-Verwaltungsgesellschaft umfangreiche E-Mails, in denen sie Unstimmigkeiten in der WEG zu Sprache brachte und um Abhilfe bat. Dabei benutzte sie eine vertrauliche Ansprache und kennzeichnete ihre E-Mails mit folgendem Vertraulichkeitsvermerk:
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„Haftungsausschluss / Disclaimer: Diese Nachricht (inklusive aller Anhänge) ist vertraulich. Sie darf ausschließlich durch den vorgesehenen Empfänger und Adressaten gelesen, kopiert oder genutzt werden. Sollten Sie diese Nachricht versehentlich erhalten haben, bitten wir, den Absender (durch Antwort-E-Mail) hiervon unverzüglich zu informieren und die Nachricht zu löschen. Jede unerlaubte Nutzung oder Weitergabe des Inhalts dieser Nachricht, sei es vollständig oder teilweise, ist unzulässig. Bitte beachten Sie, dass E-Mail- Nachrichten an den Absender nicht für fristgebundene Mitteilungen geeignet sind. Fristgebundene Mitteilungen sind daher ausschließlich per Post oder per Telefax zu übersenden.“
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Dies geschah insbesondere deshalb, da unter den WEG-Mitgliedern auch Streitigkeiten herrschten. Die Geschäftsführerin hatte davon Kenntnis, befolgte aber die Vertraulichkeit nicht, sondern leitete die E-Mails an die weiteren Mitglieder der WEG ungefiltert weiter.

Entscheidung

Das AG Medebach setzte sich mit der Frage auseinander, inwiefern eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch die Weiterleitung von vertraulichen E-Mails erfolgt ist.
So gilt grundsätzlich, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht ebenfalls das Recht am gesprochenen oder geschriebenen Wort umfasst (BGHZ 13, 334, 338). Danach hat jeder prinzipiell das Recht, selbst zu entscheiden, wie, wo und wann das gesprochene, aber auch das geschriebene Wort einem bestimmten Personenkreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein soll. Diese Geheimsphäre umfasst auch den Inhalt von Gesprächen, Briefen aber auch von E-Mails.

Das LG Köln (Urteil v. 06.09.2006 – Az.: 28 O 178/06) hatte schon entscheiden, dass das ungefragte Veröffentlichen von E-Mails auf einer fremden Webseite einen Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt.Hierbei sei insbesondere die geschützte Geheimsphäre betroffen.
“In diesen Bereich fallen schriftliche Tonbandaufzeichnungen, persönliche Briefe, aber auch solche Aufzeichnungen und Briefe, die berufliche oder geschäftliche Fragen betreffen, insbesondere persönliche Aufzeichnungen zu beruflichen oder geschäftlichen Erlebnissen oder Planungen.” Auch habe der Kläger durch das Versenden der E-Mail nicht den heimischen Bereich verlassen und eine öffentliche Sphäre betreten. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn der Kläger die Mail an einen nicht abgrenzbaren Personenkreis geschickt hätte.

Das Saarländische Oberlandesgericht (Az.: 5 U 5/12) hatte erst am 13.06.2012 als Berufungsinstanz (anders als die Vorinstanz) entschieden, dass es gerade nicht darauf ankommt, ob der Verfasser einer E-Mail diese ausdrücklich mit einem „Vertraulichkeitsvermerk“ versehen hat oder nicht. Dem Disclaimer als lediglich einseitige Erklärung kommt keine rechtliche Verpflichtung des Empfängers zu. Wenn überhaupt ließe sich der verwendete Disclaimer als Hinweis darauf interpretieren, dass eine Veröffentlichung geeignet sei, einen Eingriff in Persönlichkeitsrechte des Verfassers zu begründen, aus dem unter Umständen Abwehrrechte erwachsen könnten. Das OLG Saarbrücken stuft die Veröffentlichung einer als vertraulich bezeichneten E-Mail zwar grundsätzlich als Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ein. Dieser Eingriff müsste aber – nach Abwägung der widerstreitenden Interessen – rechtswidrig sei.

Das Amtsgericht Medebach beurteilte die E-Mails im zugrunde liegenden Fall nicht als vertraulich und sah die Weiterleitung als zulässig an. So hätte sich die Klägerin an die Verantwortliche der Verwaltung mit einem WEG-betreffenden Inhalt gerichtet. Die Verwaltung einer WEG sei aber zur Neutralität gegenüber allen Wohnungseigentümern verpflichtet. Die Klägerin müsse damit rechnen, dass die Verwaltung die übrigen Eigentümer von derartigen Inhalten in Kenntnis setzt.
Der Vertraulichkeitshinweis in der E-Mail der Klägerin würde auch keine andere Beurteilung hervorrufen und die Neutralitätspflicht umgehen können. Darüber hinaus richte sich der Vertraulichkeitshinweis auch nicht an den vorgesehenen Empfänger, sondern an einen versehentlich und nicht beabsichtigten Empfänger.

Fazit

Das Recht zur Verbreitung von eigenen vertraulichen Inhalten ist längst nicht so umfassend, wie man es vermuten mag. Sobald E-Mails versendet werden, richtet sich die zulässige Verbreitung nicht immer nach den eigenen Wünschen, sondern auch nach den gegebenen Umständen nach Abwägung der widerstreitenden Interessen, so wie es dieser Fall zeigt. Die Nutzung von Disclaimern, wie wir es schon hier einmal diskutiert haben, zeigt rechtlich grundsätzlich keine verbindliche Wirkung, sondern lediglich einen Wunsch des Verfassers.
Jedoch sollten eintreffende E-Mails, insbesondere mit vertraulichen Inhalten – ob mit Vertraulichkeitsvermerk oder ohne – mit Vorsicht bei der Frage der Weiterleitung bzw. Veröffentlichung behandelt werden.

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Kommentare (3)

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