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Zahn abgebrochen nach Biss auf Weingummi – Die Haftung nach dem ProduktHaftG

von Carola Sieling und Ines Dittmar

Das OLG Hamm hat am 23.05.2013 (Az. 21 U 64/12) den Süßwarenhersteller HARIBO aus Bonn dazu verurteilt, an den Kläger aus Bielefeld Schadensersatz und zusätzlich Schmerzensgeld in Höhe von 2000,- EUR zu leisten. Der Kläger brachen durch den Biss auf einen Fremdkörper im Weingummi zwei Zähne ab. Die Zähne mussten überkront werden.

Allgemeines

Die Haftung des Herstellers und auch des Quasiherstellers (siehe weiter unten) richtet sich nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG).
Als Produkthaftung wird die eigenständige verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Herstellers/Quasiherstellers für durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden bezeichnet. Verbraucher können Ansprüche direkt gegen den Hersteller/Quasihersteller geltend machen.
Kennzeichnend für die Gefährdungshaftung ist, dass der Haftende auch ohne ein schuldhaftes Handeln für den Schaden verantwortlich ist. Auch muss die Handlung nicht rechtswidrig sein. Notwendig ist die Haftungsregelung vor allem deswegen, weil für Schäden, die Endabnehmern einer Ware durch die mangelhafte Sicherheit des verwendeten Produkts entstehen – mangels unmittelbarer vertraglicher Beziehungen mit dem Hersteller der Ware – die vertragliche Sachmängelhaftung ausscheidet und die Anwendung eines (deliktischen) Schadensersatzanspruches grundsätzlich ein Verschulden des Inanspruchgenommenen erfordert.
Für die Mitgliedsländer der Europäischen Union wurden durch die europäische Produkthaftungsrichtlinie 85/374 (und die sie ergänzende RL 1999/34) Mindestinhalte festgelegt, die in bestehende nationale Vorschriften zur Produkthaftung eingearbeitet wurden bzw. für deren Umsetzung ein neues Produkthaftungsgesetz geschaffen wurde. Rechtsgrundlage für die Produkthaftung in Deutschland ist das Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG).
Die Haftung aufgrund anderer Vorschriften bleibt unberührt. Dies bedeutet vor allem, dass die von der Rechtsprechung auf der Grundlage der Deliktshaftung entwickelte Produkthaftung weiterhin zur Anwendung kommt. Produkthaftung ist von der Produzentenhaftung zu unterscheiden.

Kernvorschrift des ProdHaftG ist § 1 Abs. 1 S. 1.
Dort heißt es:

„Wird durch den Fehler eines Produktes jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produktes verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen.“

Hersteller, Quasi-Hersteller, Importeur, Lieferant

Der Produkthaftung unterliegen gem. § 4 ProdHaftG

1. der tatsächliche Hersteller

Tatsächlicher Hersteller ist, wer industriell oder handwerklich als Unternehmer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt tatsächlich hergestellt hat. Eine Abgrenzung zwischen diesen ist nicht erforderlich, weil die Haftung des jeweiligen Herstellers gegenüber dem Geschädigten gleich ist.

2. der Quasi-Hersteller

Abs. 1 S. 2 erweitert den Begriff des Herstellers auf denjenigen, der sich als Hersteller ausgibt, d.h. nach außen hin den Eindruck erweckt, er sei der tatsächliche Hersteller. Dies geschieht dadurch, dass er auf dem Produkt, der Verpackung oder Begleitgegenständen seinen Namen, seine Marke oder ein anderes unterscheidungskräftiges Kennzeichen anbringt. Die Fortführung eines Produktnamens kann genügen. Die Aufzählung ist weit auszulegen.
Ob ein Händler sich als Hersteller ausgibt, hängt entscheidend davon ab, ob das fremdproduzierte Produkt so ausgestattet ist, dass es nach der Verkehrsauffassung den Eindruck eigener Herstellung erweckt.
Beispiel: Sofern „made in China“ neben der Kennzeichnung des Vertriebshändlers angebracht ist, wird damit für den Verkehr nicht klargestellt, dass derjenige, der die Kennzeichnung auf dem Produkt anbringt, nicht Hersteller ist. Denn es ist üblich, dass inländische Unternehmen auch Produktionsstätten im Ausland unterhalten.

Lösung: Klarstellung durch die Formulierung: „ Product of China, hergestellt für die X- KG“.
Dadurch wird deutlich, dass nicht das Vertriebsunternehmen, also der Händler, Hersteller des Produkts ist, sondern das chinesische Unternehmen.

3. der Importeur (§ 4 Abs. 2)

Die Einfuhr oder Verbringung muss im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit des Importeurs zum Vertrieb mit wirtschaftlichem Zweck geschehen und zwar in ein dem Europäischen Wirtschaftsraum angehörendes Land aus einem Land außerhalb dieses Raums.

4. der Lieferant (§ 4 Abs. 3)

Der Lieferant aus jedem Rechtsgrund, meist Verkäufer, gilt als Hersteller, haftet also wie der Hersteller und der Quasi-Hersteller für den Fall, dass dieser, bezogen auf den Zeitunkt des Inverkehrbringens, nicht festgestellt werden kann, gleichgültig aus welchem Grund. Gleiches gilt für ein eingeführtes Produkt, falls der Importeur nicht festgestellt werden kann, sogar dann, wenn der Name des Herstellers bekannt ist. Die Vorschrift schützt den Verbraucher und will der Anonymität des Produkts durch Verschleierung des Herstellers entgegenwirken, zugleich den Lieferanten im eigenen Interesse zur Aufklärung der Herkunft der Ware anregen. Der Lieferant kann sich durch Nennung des Her- stellers oder seines Vorlieferanten bzw. des Importeurs von der Haftung entlasten.

Beweiserleichterung

§ 1 Abs. 4 ProdHaftG sieht eine Beweiserleichterung für den Geschädigten vor: Dieser muss nur den Produktfehler, den Schaden und den Ursachenzusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden nachweisen. Der Hersteller bzw. Haftpflichtige muss dann gegebenenfalls zu seiner Entlastung beweisen, dass einer der in § 1 Abs. 2 ProdHaftG genannten Ausnahmetatbestände, der die Haftung ausschließt, zu seinen Gunsten eingreift. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht muss der Geschädigte demnach nicht darlegen bzw. beweisen.

Schadensersatz nach dem ProdHaftG

Die Produkthaftung erstreckt sich gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG ausschließlich auf folgende Schäden:
– Tod einer Person
– Verletzung der Gesundheit / des Körpers eines Menschen
– Schäden an anderen Produkten als dem fehlerhaften Produkt, die zum privaten Gebrauch bzw. Verbrauch bestimmt sind

Art und Umfang des Schadensersatzes

Art und Umfang des Schadensersatzes richten sich nach §§ 7 – 11 ProdHaftG. Nach einer Gesetzesänderung kann seit Juli 2002 gemäß § 8 S. 2 ProdHaftG im Falle einer Körperverletzung auch ein Schmerzensgeld verlangt werden.

Mitverschulden / Haftungsminderung

Mitverschulden des Geschädigten wirkt sich bei allen Haftungsgrundlagen der Produkthaftung anspruchsmindernd aus und kann im Extremfall sogar zu einem Wegfall der Ersatzpflicht führen.

Haftungsfreizeichnung

Nach § 14 ProdHaftG darf die Ersatzpflicht des Herstellers nach dem Produkthaftungsgesetz im Voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Entgegenstehende Vereinbarungen sind nichtig.

Verjährung / Erlöschen

Ansprüche aus dem Produkthaftungsgesetz verjähren gemäß § 12 ProdHaftG in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Ersatzberechtigte von dem Schaden, dem Fehler und von der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Der Anspruch erlischt gemäß § 13 ProdHaftG zehn Jahre nach dem Inverkehrbringen des Produkts, es sei denn er wird zuvor gerichtlich oder in einem Mahnverfahren geltend gemacht.

Produktbegriff

Produkte sind gem. § 2 ProdHaftG alle beweglichen Sachen, auch wenn sie in eine unbewegliche Sache eingebaut sind.

Fehlerbegriff des ProdHaftG

Der Produktfehler nach dem § 3 ProdHaftG ist gegeben, wenn das Produkt zu dem Zeitpunkt, in dem es in den Verkehr gebracht wurde, nicht die Sicherheit bietet, die jeder Verbraucher nach dem zu diesem Zeitpunkt bestehenden Stand der Technik und bei einem üblichen Gebrauch von einem Produkt berechtigterweise erwarten darf.

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